2. These: Create virtual space
Beschreibung
Virtuelle Räume gestalten!
Jeder lebt in seiner Box. Räume sind zunehmend private Rückzugsorte, in denen Menschen ihr Leben inszenieren. Aktivitäten finden im virtuellen Raum statt. Die Natur ist heute ein wichtigerer Teil
dieser Inszenierung als die Kultur. Piloten müssen es schaffen, »out of the box« zu kommen. Sie werden Räume miteinander vergleichen und zukunftsfähige Baupläne identifizieren. Piloten sind gefragt,
neue digitale Lebensräume zu gestalten. Arbeitsplätze und Arbeitsrituale stammen aus einer industriellen Zeit. Sie sind nicht geeignet, das Leben in der Matrix zu bestimmen.
Beispiele
Die geographische Welt wurde im 15. Jahrhundert im Zeitalter der Entdeckungen zwischen den Spaniern und den Portugiesen mit einem Strich auf der Landkarte aufgeteilt. Im Vertrag von Tordesillas vom
7. Juni 1494 zwischen dem Königreich Kastiliens und der Krone von Aragonien teilten die beiden Herrscherhäuser die Welt entlang des 46° Längengrades 37’ West. Bereits 1493 hatte der spanische
Borgiapapst Alexander VI. in seiner Bulle »Inter caetera« eine Grenzline vom Nordpol durch den Atlantischen Ozean bis zum Südpol gezogen. Im 16. und 17. Jahrhundert eroberten die Niederländer, die
Briten und die Franzosen als europäische Kolonialmächte ihren Teil der Welt und wurden durch Unterdrückung und Ausbeutung anderer indigener Kulturen reich. Im 19. Jahrhundert engagierte sich das
Deutsche Kaiserreich. Nach der deutschen Einheit unter Bismarck versuchte es, ebenfalls ein Stück vom Kolonialkuchen zu bekommen. Der Imperialismus führte in den 1. Weltkrieg und endete in
Deutschland mit dem politischen Umsturz, der Revolution und der Abschaffung der Monarchie. Der Kampf um die Hegemonie in Europa führte nach dem 2. Weltkrieg in die Neuordnung der Welt unter
amerikanischer Führung und eine Teilung Deutschlands in vier Besatzungszonen. Durch die Abschreckung der Atombombe im 20. Jahrhundert lohnte es sich nicht mehr für die USA und die Sowjetunion, einen
weltweiten Vernichtungskrieg zu beginnen. Räumlicher Landgewinn war nicht mehr erstrebenswert in einer Welt, die nach dem Abwurf der Atombombe „Little Boy“ auf Hiroshima am Morgen des 6. August 1945
um 8.15 Uhr Ortszeit in Schutt und Asche lag. Stabilität und Konsolidierung als Voraussetzung für Wirtschaftswachstum im kapitalistischen Wirtschaftssystem waren gefragt.
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ging es um die Verteilung der Märkte und der Rohstoffe, und den Amerikanern ging es darum, ihre eigenen Produkte zu verkaufen und ihre Stellung in der Welt zu festigen. Regionale Kriege gab es auch nach 1945. In Europa erschütterten die Jugoslawienkriege von 1991 bis 2001 den Balkan, eine Region die bereits 1912 und 1913 ein Pulverfass war.
Mit den ersten beiden Kriegen im persischen Golf von 1980-1988 und 1991-1992 verteidigten die Vereinigten Staaten von Amerika ihre Interessen in der Region und sicherten sich den Zugang zu 49 Prozent der Weltölreserven (803,60 BBL, Stand 2014). Mit den Anschlägen vom 11. September 2001 auf New York änderte sich die Beurteilung der globalen Lage grundsätzlich. Als Folge entstand der Kampf gegen den internationalen Terrorismus, und die Vereinigten Staaten von Amerika zogen mit ihren Verbündeten 2003 in den dritten Golfkrieg. Landgewinn und territoriale Expansion waren keine Kriegsziele der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Erst durch die Annexion der Krim im März 2014 setzte Russland wieder auf eine strategische Vergrößerung seines Territoriums in Europa und nutzte die Krise der Revolution in der Ukraine vom 21. November 2013 bis zum 24. Februar 2014.
Der wichtigste Expansionsraum, um den heute gekämpft wird, ist der virtuelle Raum. Die Beherrschung der Netze, der Datenwege und der Kommunikation sind der Schlüssel für Wachstum, Geld und Macht. Die Dramatik dieser Entwicklung wurde Anfang Juni 2013 der Weltöffentlichkeit bewusst als die Veröffentlichungen des ehemaligen amerikanischen Geheimdienstmitarbeiters und Whistleblowers Edward Snowden die Überwachungsmöglichkeiten der Geheimdienste in der NSA-Affäre offenlegten. Die Wirkung dieser Nachricht entfaltete sich unaufhörlich. In der Zwischenzeit änderten die Nachrichtendienste ihre Strategien und verfeinerten sich die technologischen Möglichkeiten. Snowden fand politisches Asyl in Russland. Es ist nicht bewiesen inwieweit sein Know how für die russischen Cyberangriffe auf die EU im Oktober 2018 genutzt wurde.
Aber im Januar 2017 wurde mitgeteilt, dass Snowdens Aufenthaltsgenehmigung vom russischen Außenministerium um weitere drei Jahre verlängert wurde. Die Reaktionen auf seine Person und auf seine Handlungen fallen sehr unterschiedlich aus, von Anträgen zur Überstellung in die USA bis hin zur Nominierung zum Friedensnobelpreis 2016. Der Kampf um die Hegemonie im virtuellen Raum ist seit dem 28. November 2010 und den Veröffentlichungen von WikiLeaks, die unter dem Namen Cablegate bekannt wurden, in vollem Gang. Seit den Veröffentlichungen von einer Viertelmillion diplomatischer Berichte der USA kann die Öffentlichkeit nicht leugnen, von dem Cyberkrieg nichts gewusst zu haben.
2019 verbringen viele Menschen den größten Teil ihrer Zeit vor einem Bildschirm. Vor 30 Jahren wurden die sogenannten Nerds belächelt, heute sind sie umworben, weil Kapitalgeber erkannt haben, wie groß der Wachstumsmarkt im virtuellen Raum ist. Die Verschiebung in der Beurteilung der Nerds und ihrer Aktivitäten hatte gesellschaftliche Konsequenzen. Ursprüngliche wichtige liberale Werte wie die Freiheit und die damit verbundene Privatsphäre wurden umgedeutet. Für den Nerd bestand die Freiheit darin, in seinem virtuellen Raum ungestört vor den Augen und Ohren des Staates oft seinen kriminellen Aktivitäten nachgehen zu können. Heute arbeiten Nerds für den Staat und sind die Augen und Ohren der Nachrichtendienste. Ihre ursprüngliche Exklusivität haben sie verloren, ihre Vorstellung von Freiheit ebenfalls. Auch diejenigen, die sich auf der Programmierebene bewegen und Glücksspiel, Waffen- und Drogenhandel und Pornographie anbieten, können ihr Freibeuterleben nicht mehr genießen. Dies alles geschieht unter Nutzung von Clearnet/Visible Web, der dort existierenden Foren der Underground Economy, von DeepWeb und Darknet. Zuviel Macht und Kapital steht auf dem Spiel. Der Aufstieg von Kim Schmitz zu Kim Dotkom ist nur ein Beispiel. Das Auslieferungsverfahren an die Vereinigten Staaten durch Neuseeland ist noch nicht abgeschlossen. Das Dark Net, wie der Name sagt, assoziierte dem unbedarften User eher das Bild des Kampfsterns Galactica und die Vorstellungen der dunklen Seite der Macht aus Star Wars als konkrete Ereignisse aus der Welt der Cyberkriminalität. Als die Nerds mit ihrer digitalen Sicht noch in der Minderheit waren und ein exklusives Image pflegten, konnte die Mehrheit der analogen Bürger ihrem Tagesgeschäft nachgehen, ohne sich um die virtuelle Welt der Nerds zu kümmern.
Es gab keine Schnittmengen. In einer virtuellen Welt, die durch die Gedanken und Strukturen der Nerds aufgebaut und organisiert wurde und im 21. Jahrhundert die Plattform für die Mehrheit aller
Bürger ist, müssen aber andere Regeln gelten, denn es gibt zahlreiche Schnittmengen. Wie diese aussehen, ist abhängig von dem Staat, in dem die Bürger leben.
Um gegen Kriminalität im Netz besser gerüstet zu sein, wurde in Deutschland in Bund und Ländern eine Spezialeinheit der Polizei aufgebaut, die Zentrale Ansprechstelle Cybercrime, kurz ZAC. Da der Nationalstaat global aufgebaute Netzwerke nicht kontrollieren kann, entziehen sich viele Netzwerkaktivisten dem staatlichen Zugriff. Sie verlagern ihre Aktivitäten auf Plattformen, die nicht reguliert sind. Bereits nationalstaatliche Kontrollmechanismen greifen nur schwer und sind an nationale oder internationale Rechtsstandards gebunden, globale Regulierungen innerhalb des Netzes wurden nicht angestrebt. Russland, die Türkei, China und die Vereinigten Staaten von Amerika entwickeln ihre eigenen Plattformen, die sie kontrollieren können. Nationalstaaten stehen vor dem Problem, dass ein Großteil ihrer virtuellen Souveränität auf eine Plattform ausgelagert ist, die nicht unter ihrer Kontrolle steht, so etwas ist ein klassisches Sicherheitsproblem. Zwei Beispiele: 2015 meldete das Handelsblatt: „China wird als Investor 30 bis 40 Prozent an dem umstrittenen, bereits mehrere Jahre verzögerten Atomkraftwerk Hinkley Point übernehmen, das Frankreichs Staatskonzern EDF bauen soll. Beim nächsten EDF-Kraftwerk, Sizewell, sollen die Chinesen eigene Atomtechnologie einbringen.
Ein dritter Atommeiler, Bradwell, könnte ganz mit chinesischer Technologie gebaut werden.“ Am 3. Juli 2017 titelte das Handelsblatt: Neues Atomkraftwerk wird zum Milliardengrab. Die Beteiligung Chinas als Investor wird kritisch gesehen, da die Energieversorgung eines Landes mit eines der zentralen Sicherheitsprobleme ist. Großbritannien und Frankreich würden sich mit diesem Deal der chinesischen Wirtschaft und damit dem chinesischen Staat ausliefern, so der Tenor.
Das zweite Beispiel beschreibt die gleiche Gefahr und handelt von dem chinesischen Konzern Huawei. Huawei bietet zurzeit die schnellsten Datennetze mit 5G Standard an. Ein flächendeckender Ausbau in
europäischen Staaten würde eine zu große Abhängigkeit von dem chinesischen Konzern mit sich bringen. Am 17. Januar 2019 meldete der Südwestdeutsche Rundfunk: Die Bundesregierung will den chinesischen
Netzwerkausrüster Huawei offenbar vom Aufbau des neuen 5G-Mobilfunknetzes ausschließen. Westliche Staaten verdächtigen Huawei seit langem der Spionage. In den USA wird laut einem Medienbericht wegen
Industriespionage gegen den Konzern ermittelt. Viele europäische Staaten wappnen sich für einen Handelskrieg und lehnen den wachsenden realen Einfluss Chinas ab. Der Zugriff Chinas auf den
virtuellen Raum ist heute keine Utopie mehr, sondern Teil der Entwicklungsstrategie Chinas bis 2025.
Maßnahmen
Was wollen wir in Europa? Heute gehen die Menschen mit ihren Daten sehr freizügig um. Stichworte wie Lifelogging oder Worklogging versuchen die positiven Seiten der individuellen Digitalisierung zu
beschreiben. Auf der anderen Seite gibt es die auf Wachstum angelegte Entwicklung der Digitalkonzerne mit der Verwertung personalisierter Daten für die Werbeindustrie. Der Einzelne wird seine Daten
im virtuellen Raum nicht schützen können. Die Gesellschaft wird hier Strukturen schaffen müssen, um den Einzelnen und die Gemeinschaft zu schützen - auch vor dem Zugriff des Staates. Wie diese
Strukturen aussehen werden und wer den Prozess begleitet, wird öffentlich wenig diskutiert, wahrscheinlich, weil die staatlichen Sicherheitsdienste ebenfalls ein großes Interesse an Informationen
haben. Jeder Staat ist ein Datensammler.
Deutschland kann durch Innovationsmaßnahmen Start Ups animieren, mitzumachen und Erfahrungen zu sammeln. Generell müssen Ängste abgebaut werden. Piloten sollten Vorreiter sein und lernen und verstehen wie digitale Welten funktionieren.
Conclusio
Der Pilot und der virtuelle Raum bilden die zweite elementare Koordinate für die Navigation im 21. Jahrhundert. Europäische Piloten müssen sich entscheiden, wem sie ihre Daten geben wollen, solange
es keine eigenen unternehmensinternen Sicherheitsstandards gibt. China und die Vereinigten Staaten kämpfen beide um die Vorherrschaft im 21. Jahrhundert. Ausgetragen wird dieser Kampf nicht mehr nur
an den Produktionsstandorten, sondern an Wissenshubs. Es geht um die Dominanz in den Feldern der künstlichen Intelligenz, der Biotechnologie und der schnellen Datenverarbeitung. In diesen Feldern
werden moderne innovative Technologien angewandt, die einen globale Zugriff auf die Menschheit haben. Um nicht süchtig nach der virtuellen Realität zu werden, benötigt der Pilot einen analogen
Ausgleich. Den analogen Ausgleich kann er nur bekommen, wenn es ihm gelingt, mit beiden Beinen auf der Erde zu stehen. Die letzten 500 Jahre haben europäische Staaten die Welt erobert, kolonialisiert
und beherrscht. Europa war der Gewinner einer unglaublichen Erfolgsgeschichte. Ob Europa auch noch in diesem Jahrhundert mit zu den Gewinnern zählen wird, wird abhängig sein von der Beherrschung des
virtuellen Raumes.